Ich bin seit 2 Tagen in Matara, unserer Geburtsstadt. Viel ist in der Zeit nicht geschehen, ich habe mich mit der Wahl beschäftigt (noch keine finalen Ergebnisse), Ärztin für sämtliche Wehwehchen der Familie gespielt- derzeit ist meine Mutter mein Sorgenkind. Ansonsten wandere ich durch das Haus und lass Erinnerungen wieder auferleben.
Unser Haus ist groß und kann nur über einen sehr fragwürdig engen von 2 hohen Mauern begrenzten Weg erreicht werden, dessen Anfang schon so einige Knöchel verrenkt und einige Schürfwunden verantworten musste. Nur der mutigste und gewiffteste Autofahrer schafft es überhaupt über die zwei wacklicken Betonplatten, die den Weg zum Haus von der Straße über eine offene Kanalisation überbrücken. Der Winkel, der dabei zu schaffen ist, ist so eng, dass schon so einige Fronten und Lackierungen daran glauben mussten.
Meine Mutter erzählt mir immer gerne eine Geschichte, wenn ich gemein oder in ihren Augen undankbar bin um mich mundtot zu kriegen, und zugegeben, sie schafft es immer wieder, wenn ich nicht schnell genug bin ihr über den Mund zu fahren.
Meine Eltern waren von einer Reise zurück und da eben die Einfahrt zu heikel war, beschloss meine Mutter mich, ihre 1jährige Tochter, lieber das kurze Stück zum Haus zu tragen. Wäre sie mal lieber sitzen geblieben. (So müsste ich mir diese Anekdote nicht wieder und wieder aufs Brot schmieren lassen)
Beim letzten Schritt aus dem Van, muss sie gestolpert sein, mit mir am Arm! Die wertvolle Pracht!
Damit ich mir ja nichts tue, habe sie sich so auf den Weg fallen lassen, dass ich möglichst sanft auf ihr zu liegen käme und sie dafür die übelsten Verletzungen davon trug. Ob das wohl nur eine Mähr ist?
Der Gulli am Anfang des Weges ist noch immer da und noch immer hässlich, aber hier legt man ja nicht viel Wert auf ein gutes Straßenbild oder Hygiene, wie es scheint. Wenn man zu knapp daran vorbei läuft, kann es schon mal leicht sein, dass man einen Tritt ins Abwasser Mataras macht- nicht zu empfehlen.
Bei fast jedem Besuch in den letzten Jahren, vor allem, als mein Großvater noch am Leben war, gab es ein Projekt. Eines war mal, das Haus von Unrat zu befreien. Diesen Plan hat mein Vater aber ohne dem Wissen und vor allem ohne die ausdrückliche Genehmigung meines Großvaters geschmiedet. So entwickelte sich das Projekt für meinen Vater zur Sisyphos – Arbeit. Alles, was er hinausschaffte, schaffte mein Opa hinter seinem Rücken wieder zurück ins Haus und versteckte es wo anders. Endgültig platzte ihm der Hutkragen, als mein Vater ganze Säcke voll Dokumente in den Gulli warf. Mein Großvater raffte seinen Sarong und wild schimpfend, wie verantwortungslos mein Vater sei, ¨sowas könne ja noch wichtig sein!¨, rannte er zur Straße um die Papiere zu retten, die nichts weiter waren als alte Rechnung der früheren Firma.
Mein Projekt war wenige Jahre vor dem Tsunami 2004, Fotos vor dem Untergang zu bewahren. Diese waren schon so zerfressen und aufgeweicht gewesen, dass gut die Hälfte in den Müll wanderte. Das ist eins der Nachteile, direkt am Meer zu wohnen, abgesehen davon, dass wir unmittelbar jede weitere Welle mit offenen Armen erwarten und man sich nur noch aufs Dach retten kann.
Erst hielten mich meine Eltern für bescheuert, als ich die Koffer mit alten Bildern und Negativen füllte, aber sie schauten nicht schlecht, als 2004 einfach alles zerstört war. So hatten wir wenigstens noch Fotos. Mein Bruder rettete ein paar Langspielplatten (u.a Woodstock, BeeGees) vor dem Wasser und ich noch die alten Pässe meines Vaters, die voll waren mit den Stempel der exotistischten Länder dieser Welt! Alles andere, was im Erdgeschoß war, ging mit dem Wasser dahin. Meine Großmutter beobachtete die Welle vom 2.Stock aus, in den sie meine Tante gerettet hatte.
Dem Tsunami haben wir den heutigen Fliesenboden zu verdanken, der um so vieles einfacher sauber zu halten ist, als der alte Belag, den wir als Kinder, wenn wir Besuch erwarteten oder (noch unnötiger) beim regelmäßigen Hausputz, auf den Knien rutschend mit Kokoshaaren polierten, bis wir selbst ganz rote Knie und Hände hatten, aber dafür glänzte der Boden wie ein Spiegel (also nicht in allen Winkeln, aber da sah doch eh keiner hin).
Mein Lieblingsraum ist das Büro meines Vaters mit der weißen Bücherwand und dem grasgrünen Tresor. Heute ist das Regal mit einer Folie behangen und der alte Zauber, in Papas Sachen zu stöbern, verflogen.
In den Schulferien, die wir jedes zweite Jahr in Sri Lanka verbrachten, musste ich an diesem Tisch entweder Mathe machen oder Sinhala lernen, gegen beides übte ich den heftigsten Protest. Was für ein Quatsch in den Ferien Mathe zu lernen oder sinnlos immer wieder ein ‘අ‘ zu malen. Es hatte auch gar keinen nennenswerten Erfolg! Ich konnte weder besonders in Mathe glänzen, auch so ein schwerer Schlag für meine Mathe-verliebte Mutter, noch schön Sinhala schreiben. Ich fand damals mit 11 schon, dass sie zufrieden sein sollte, dass ich es sprach, für die einmal im Jahr an meine Großeltern gehende Karte zu Neujahr war es doch etwas viel Mühe, dass ich dafür meine Ferien opfern sollte. Meine Schrift konnte eh niemand lesen. Ich schriebe wie ein Baby, hieß es immer. Das war es dann auch mit meinem Gutwill.
Wenige Minuten Fußweg vom Haus erstreckt sich ein wunderschöner Strand, der leider nicht zum Baden herhällt.
Aber Wassertreten und den Sonnenuntergang genießen, heimlich sich treffenden Pärchen bei ihrem Stelldichein unter einem Schirm zu beobachten und auf die Suche nach einer schönen Muschel zu gehen hat auch ihren Reiz.
Unweit dieses Strandbereichs befindet sich auch meine alte Schule. ¨The Convent¨ mit einer in Sri Lanka bekannten Marienstatue, die Geschichte dazu kann ich aber nicht wiedergeben. Ich bin hier nur ein Jahr gegangen, bevor wir nach Österreich auswanderten. Aber soweit ich mich erinnere, hatte ich Spaß. Ich trug ein knielanges strahlendweißes Kleid mit Ansteckkravatte und die Haare zu zwei Zöpfen. Ich hatte eine Freundin, an deren Namen ich mich aber leider nicht erinnern kann und ich glaube, ich konnte mich nicht mal bei ihr verabschieden.
Die Nonnen in der Schule waren gemeingefährlich, für alles drohte einem eine schlimme Strafe. So war es auch bei uns. Ich klaute meiner Mama aus ihrer Sparbüchse 2 oder 5 Rp um mir in der Pause damit Chili-Nüsse zu kaufen. Ich weiß heute noch nicht, ob meine Mutter von dem Diebstahl weiß. Ich musste ja einen Moment abpassen, in dem sie gerade beschäftigt war und dann auch so vorsichtig mit der Büchse sein, weil die bei jeder Bewegung unglaublichen Krach machte!
Ich kaufte die Nüsse für uns und sie schmeckten herrlich. Aber die Strafe war doch etwas übertrieben. Denn für das Verlassen des Schulgeländes während der Schulzeit erhielt ich mehrere Hiebe mit dem Lineal auf die Hände. Körperliche Misshandlung als Form der Erziehung war in Sri Lanka gang und gäbe. Ich hab meine Portion Erziehung bekommen, hat dennoch nichts gebracht!
Wir hatten damals 2 oder 3 Hausangestellte, einer davon fuhr mich immer zur Schule. Dafür saß ich auf der Mittelstange seines uralten Drahtessels und hielt mich am Lenker fest. Wir hatten meist eine gute Geschwindigkeit drauf und ich liebte es dabei meine Zunge in den Wind zu strecken, bis sie ganz trocken war um sie dann wieder in den Mund zurück zu ziehen und dieses lustige Gefühl zu analysieren, wenn die Zunge wieder ¨zum Leben erwacht¨. Wenn er einmal nicht konnte, fuhr ich mit anderen Kindern in der Riksha zur Schule. Meine Lieblingsjause, bei der sich mir heut die Zähennägel aufrollen, war Toast mit Butter und- man halte sich fest- Zucker! Sehr nahrhaft. Vielleicht bin ich deswegen so klein??!
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