SO betreibt man natürlich keinen erfolgreichen Blog. Ich hatte mir nie wirklich ein großes Zielpublikum anvisiert, mehr sollte dieser Blog als Zeitzeugnis für mich und als kurzweiliger Zeitvertreib für euch, die noch hiergeblieben sind, dienen. Wenn ich auf die letzten 8 Jahre Blogschreiben zurückblicke, so habe ich viele Geschichten erzählt und Erinnerungen sowie Absurdes festgehalten, das anderswie nur eine Anekdote zwischen zwei Radlern geblieben wäre. Jetzt amüsiere ich mich, wenn ich zurückstöbere in Die Auflösung der Sprechkultur oder ein Wiener Hipster- Dialog oder Wien – Klagenfurt, mein Herz schlägt für jede Erinnerung und Herausforderung, die ich mit euch geteilt habe.
Ich dachte, ich habe noch genügend Zeit das Projekt anzugehen: drei Monate zu Hause, drei Monate bis zum nächsten Einsatz. Drei Monate zum Schreiben.
Das Universum hätte mir, um mich an das Hiersein zu ermahnen, nicht gleich das Außenband reißen müssen. Ok, nicht das Universum hat mich von der Idee überzeugt auf einen wackligen Korb zu steigen, um Oberschränke aufzuräumen, sondern mein inneres Chaos. Dagegen half nur aufräumen, putzen und Diamond Platnumz zu hören. Fünf Wochen war ich dann außer Gefecht gesetzt, ließ mich aber nur 2 Wochen davon überzeugen, wirklich Ruhe zu geben, danach ging ich wieder meine innerösterreichischen Reisen an, aber jeder Schritt rächte sich dann mit Schmerzen. Kaum besserte sich der Fuß, lag ich zehn Tag mit Fieber und Infekt flach. Ich dachte schon,“ui, Malaria. Lassen wir lieber mal abklären“. Nix Malaria, so mondän und unspektakulär der Bänderriss, so war auch der Infekt die 2.Covid-Infektion.
In 3 Monaten war ich so oft im Krankenhaus, wie noch nie in den letzten 39 Jahren, als ob ich überprüfen wollte, wie die Versorgung im UKH, LKH Villach und Univ.Klinikum Innsbruck so von der anderen Seite betrachtet, ist.
Daher blieb ich bei meinem grob gestrickten Vorsatz, Geschichten zu erzählen, wenn der Moment für mich passt, treu.
Ich bin Ende Juni aus 9 Monaten in Malawi zurückgekehrt. Zweimal habe ich versucht einen Blogeintrag zu verfassen und habe erschöpft und wütend, ob der fehlenden Worte den Laptop zugeknallt. Wie fasse ich neun bewegte Monate zusammen?
Das Ankommen zu Hause war holprig, von viel innerer Gegenwehr und äußerer Reibung geprägt. Ich fühlte mich wie ein Taucher, der zu viel Auftrieb hatte. Ich konnte nicht dort bleiben, wo ich gerade war, es trieb mich immer hoch und ich war ständig damit beschäftigt die Balance zu finden.
Ich trat in meine Wohnung in Innsbruck und kam mir vor wie in einem 5-Sterne Hotel. Ich konnte gar nicht glauben, dass all dieser Raum, dieses wunderbare rosa Sofa, mir gehörte! Ich genoss es, wie ein unerwartetes Upgrade in die first class. Beim Auszug hatte ich einzelne Vakuumbeutel mit Klamotten, in Ermangelung von Umzugskisten, unter dem Bett verstaut; da war eine gute Auswahl einer Sommer-Herbstkollektion dabei, dass mir an nichts fehlte und ich mich einmal mehr der Scham stellen musste, viel mehr Kleidung zu besitzen, als ich tatsächlich brauche.
Jeden Tag musste ich mit Juma, meinem Kollegen in Malawi, telefonieren, sonst fehlte mir etwas. Gleichzeitig hatte ich ein schlechtes Gewissen, nicht im Hier bei meinen Freunden und Familie zu sein. Eine Idealsituation für Diyani, sie liebt die Dissonanz, die sie selbst verursacht, anstatt sich dem zu stellen. Und wenn sie das tut, redet sie gerne in der 3.Person von sich, als ob die Metaebene einnehmen, mehr Einsicht verspricht.
In der Früh musste ich mindestens eine Stunde eastafrican Bongo hören und ignorierte mein geliebtes FM4 und Ö1.
Bei der Vorstellung wieder selbst für mich zu kochen und dabei Hühnchen und Reis aus dem Weg zu gehen, aber nicht auf mjam &Co. auszuweichen, stellte mich vor scheinbar unüberwindbare Hürden. Also aß ich die erste Zeit Butterbrot mit Speck oder nur Coco Pops (ja, ich weiß, die heißen jetzt anders, ignorier ich aber).
Nur wenn es srilankan Curry gab, erlaubte ich Reis am Teller. Hühnchen kommt mir bis 2032 nicht auf den Tisch.
Aus dem Plan Juli und August im und am Wörthersee zu verbringen wurde Essig, aber die einzelnen Male waren herrlich. Es stellt sich für mich kein Gewöhnungseffekt ein, wenn ich am Wörthersee stehe und auf das türkis glitzernde Wasser schaue.
Ich versuchte alles um mich nicht der Leere zu stellen, die in mir war. Ich legte einen Teppich darüber und umging den großspurig. Ich war tatsächlich überrascht, nach neun Monaten des 140% gebens und für Patienten da zu sein, in ein Loch gefallen zu sein – im wahrsten Sinne des Wortes, als der Korb unter mir zusammenbrach. Also blieb ich liegen. Ich gab mich dem Gefühlswirrwarr hin, den ich einmal mit einem Salatbuffet verglichen habe.
Malawi hat mir viel gelehrt. Nicht nur in meine Fähigkeiten zu vertrauen, sondern auch dem Unbekannten seine Chance zu geben, Wunderbares in petto zu haben. Ich baute mein kaputtes Selbstwertgefühl auf und ging die Reparatur meines Herzens in „the warm heart of Africa“ an. Es brauchte dafür „nur“ Mut ich selbst zu sein und ein Gegenüber, das von dieser unperfekten Version begeistert war und die Erkenntnis, dass ein unperfektes Ich okay ist.
Als Frauen haben wir den Vorteil unsere innere Unausgeglichenheit durch äußere Optimierung zu kaschieren und wettzumachen. Bei mir ist es ein perfekter Lidstrich und Mascara, luftige Locken und ein korrekter Pony. In Malawi hatte ich all das nicht. Ich hatte das Werkzeug, aber ich wandte sie nicht an. Im Krankenhaus standen mir die Stirnfranzen wie ein Busch vom Kopf weg und der schlampige Dutt wuchs mir hoch über den Hinterkopf. Jeden Morgen war die Kollegschaft gespannt, wie ich wieder aussehen würde und um wieviel Uhr ich die Kontrolle über meine Haare verloren haben würde. Haare waren in Malawi ein zentraler Punkt in allen Gesprächen. Die Frauen interessierten sich für mein Haar, weil es so ganz anders war, glänzend und weich, die Wunschvorstellung an die unleistbare Echthaar-Perücke. Während ich offenen Staunens die wechselnden Flechtfrisuren und Haarteile bewunderte. Kurzrasiert waren nur Männer oder Frauen, die sich den 3-wöchentlichen Besuch im Salon nicht leisten konnten bzw. junge Frauen in der Stadt, die unterschiedliche Sidecuts ausprobierten.
Dann war September und die Vorbereitungen für meinen Einsatz in Südsudan begannen. Eine Woche vor meinen Abflug habe ich meinen Rucksack und Koffer schon viermal umgepackt: Wieviele Unterhosen brauche ich wirklich, wie relevant würde Spitze an der Unterwäsche schon sein, Tshirts und Hosen rauswerfen, Seifen rein und wieder rausrechnen, Eitelkeit gegen Praxistauglichkeit abwiegen, mich für Eitelkeit entscheiden und den 2. Lippenstift und als Kompromiss die Haremshose statt schwarzer chicer Hose drin lassen. Statt einer 2. Seife nehme ich selbstgemachte Erdbeermarmelade mit. Warum der ganze Aufwand? Im Gegensatz zu Malawi, gibt es in Südsudan gar nichts, in Malakal noch weniger als das. Ich muss alles mitbringen, was ich glaube, zu brauchen, vom Wattestäbchen bis zum Schampoo (-Konzentrat, ist nämlich viel leichter) und dabei immer unter 20kg bleiben. Eine neue Packerfahrung für eine Minimalistin, wie mich.
Raus aus der Blogger-Versenkung und gleich wieder zurück in diese…auf ins Unbekannte, Leben im Container und streng dosiertem Zahnpasta-Verbrauch. Zurück auf den afrikanischen Kontinent, wo ich ein Stück meines Herzens zurückließ.
Schön, dich wieder zu lesen!
LikeLike
Schön, dass du noch vorbeischaust 🙂
LikeLike