Prokrastination. Das kann ich manchmal richtig gut. Letztes Jahr im 2.L*** habe ich ausgemistet, mit jedem T-Shirt, das ich in die Taschen warf, schwor ich mir, die Lücke im Schrank nicht zu füllen! Manche sprechen mir zu meinem minimalistischen Stauraum ein Kompliment aus. Leute. Ihr wisst nicht, dass ich zwei Schränke habe. Einen hier und einen Nomaden-Schrank in Velden. Da lagern Klamotten, von denen die Trennung etwas schwerer fällt. Im englischen gibt es einen Begriff, der mir sehr gefällt: “in every nook and cranny” verstecke ich Frust-Schuhkäufe.
Das Aussortierte ist für die Obdachlosenhilfe in Innsbruck. Also schleppte ich zwei Beutel in die Bögen, wiedermal diverse L****-Maßnahmen vergessend. Ich schleppte sie fluchend wieder zurück und rührte sie ein Jahr nicht mehr an. Ich hab ein paar Stücke einer Patientin gegeben, die meinte bei der Visite, das Zeug sei ihr zu sexy. Zu. Sexy. Sie muss die baggy Stoffhose in Kombination mit einem weißen Hoody meinen, mit einem bunt gestreiften Sportbh drüber (ja, sowas geht). Da verstand ich, was sie meinte.

Heute habe ich es endlich geschafft. Aber wahrscheinlich auch nur, weil der Abschied ansteht und ich gerade Kisten packe.
“Nina, zwei Kisten und ein Koffer. Maximal” Die Hypothese war bereits bei der ersten Kiste falsifiziert. Ich war nicht Merlin, das stand einmal mehr fest.

Ich saß am Boden. Um mich herum, Kisten, Koffer, Rucksäcke (hach, meine Rucksäcke), Schuhe, Socken, Pullover (warum habe ich soviele Pullover?!). Ich musste vier-geteilt packen. Was brauchte ich jetzt, in Velden, auf Einsatz und was geht ins Lager. Vielleicht auch noch Jahreszeiten berücksichtigen? Wie realistisch war es, dass ich Spitzen-Unterhöschen brauchen werde? Oh nein, ich habe die schönen Blusen schon in die Kisten geschmissen. Tja, wenn mir jetzt Prince leicht-abgefuckt aber mit reinem Herzen begegnete, dann nimmt er mich auch mit Minnie Mouse Hoserl.
Ich erhob mich aus dem Chaos und legte mich auf die Couch. Alle 45 Minuten sah ich in die Kommode, ob nicht Mary Poppins herabgesegelt war um zu helfen. Nein war sie nicht.
Mir erschien, das Badezimmer anzugehen eine erfolgversprechendere Idee. Ich setzte es auf die To-do-Liste. Für morgen.
Morgen kam und ich neigte mich über meine Lippenstifte, es eröffnete sich ein ähnliches Dilemma wie bei den Höschen. Wie unauffällig könnte ich es gestalten, den matt-violetten Lippenstift aufzutragen und der srilankan Mom zu sagen, “Just going for a walk”?
Dabei ist, bei einem erfolgreichen Date und des zu antizipierenden Kusses, violetter Lippenstift unwegsam.
Ihr wundert euch, dass ich kein Wort über Bücher verloren habe? Das war das allererste, was ich geklärt habe und streng auch noch. Sieben. Nicht mehr kommen nach Velden. Der Rest wird den zukünftigen Untermietern eine abwechslungsreiche gut sortierte Bibliothek sein.
Da war die Realität: Zurück zu den Eltern. Privatsphäre ging gleich nach den Schuhen in die erste Kiste.
Jedesmal, wenn ich beschloss ein neues Kapitel aufzuschlagen, kreiselte ich für kurze Zeit um mein Kinderzimmer.
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