Entfaltet, Gelebtes

Bewusst sein – Being conscious

An meine Eltern, die gar keine einfache Tochter haben und jeden Tag ihren Sturkopf zu spüren bekommen. Und zum 26.Oktober

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Kühtai

“Mei, Diyani, ich hätte so gerne deine Farbe!”
“Lieber nicht, dann wirst du ständig gefragt woher du kommst.”
Leute, die mit der Farbe, wie zu lange gegrillte Karotten aus dem Solarium kommen werden das nicht gefragt. Warum eigentlich?

Ich bin empfindlich gegenüber Alltagsrassismus. Ich reagiere häufig ironisch bis sarkastisch.
Ein Patient sagte mal zu mir “Sie müssen sehr einsam sein, so weit weg von zu Hause.”
“Kärnten ist nicht so weit weg.” antwortete ich einigermaßen kühl aber höflich.
“Nein, nein, ich finde Sie sollten wieder dorthin zurück, wo Sie herkommen.”
Wie meinte er das nun? Sprach er von sich, dem Südtiroler, der vor Jahrzehnten sich für Österreich entschied, aber das nie verkraftet hatte, und zeigte Anteilnahme?
Meine Erklärung, Österreich sei mein Zuhause, akzeptierte er nicht. Ich ließ es dabei bewenden.

Es kann aber auch so rum sein: Eine andere Patientin beschuldigt mich des Rassismus, weil ich ihr erklärte, dass es schade sei, wenn man nach 40 Jahren in einem Land die Sprache noch nicht beherrsche?
Ich dachte lange über diese Frage nach: Bin ich rassistisch?
Nein. Denn ich kann erahnen, wie es ihr ergangen sein muss. Sie wurde in die Emigration hineinkatapuliert. Bessere Ausbildungsmöglichkeiten, keine fragwürdigen Sanktionen eines opportunistischen politischen Systems in den Fängen eines verzweifelten Bürgerkriegs. Es sei für die Kinder das Beste. Wer fragte schon, ob es für sie das Beste sei?
So zumindest erging es unserer Mutter.

Wir alle waren beschäftigt, neues Land, neue Schule, neue Freunde, Hosen! Wir waren klein, konnten wir ermessen, wie schwierig das für eine 30jährige ist, die außer ihrer Heimat nichts anderes kannte, in einem westlichen Land, das genauso gut ein neuer Planet hätte sein können? Sie war engagiert, mutig und streng. Mit sich und mit uns. Wir sprachen drei Sprachen, mit ihr nur ganz streng Singhalesisch. Mit unserem Paps Deutsch. Wir sollte sie nun Deutsch lernen, eingespannt in der Erziehung zweier Kinder inmitten sich widersprechender Kulturen? Über die Wursttheke?
Sie lernte mit uns über ihre heiß geliebte Mathematik. Sie saß oft, lang nachdem wir zu Bett gegangen waren, an unseren Sachaufgaben um zu verstehen.
Sie hörte Deutsch auf Kassetten oder mit uns unsere Kindergeschichten, bis ihr die Ohren bluteten. Sie musste Kochbücher durchackern, weil ihre Gören eines Tages entschieden, von Curry kriege man Pickel und den Teller wegschoben. Von da an gab es zwei Gerichte jeden Tag. Jedoch zur Strafe mussten wir so lange Kärntner Kasnudeln essen, bis sie sie zur Perfektion beherrschte und uns der Topfen aus allen Poren quoll.

Unsere Eltern kämpfen einen unsichtbaren Kampf, mit uns, gegen uns, gegen die Dualität, für die Singhalesische Mentalität, gegen den Werteverfall. Wir schlugen zurück mit Singhalesisch-Streik, Deklarationen über wie sehr wir das schreiben- üben hassten und nicht beten wollten. Wir waren grausam. Aber wir hielten unsere Eltern für gemein. Schließlich brachten sie uns hierher und jetzt sollten wir leben wie in Sri Lanka? Ich wollte ausgehen, tanzen. Ich wollte Privatsphäre!

Ich begriff nicht, warum ganz Sri Lanka über meine “Frauwerdung” bescheid wissen musste. Eine Zeremonie? Niemals. Dass das nicht passierte, verdankte ich meiner Mutter. Aber ich war ihr dennoch böse. Ich wusste mit 13 nicht, wie man zwischen zwei Stühlen sitzen sollte!

Migration bedeutet so viel mehr, als ein Abenteuer, ein Neubeginn. Es ist ein nie enden wollende Zwiespalt, für jede Generation. Der, wenn wir nicht acht geben, auch unsere Familien spaltet.

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our interpretation of integration
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Ja… Ich im Dirndl..

Wenn ich also sage, das es schade sei, dass man die Sprache nicht kann, dann kommt das aus einem Verständnis über die Verhältnisse, in denen diese Patientin stecken musste.
Aber wenn das jemand sich erlaubt, der diese Prüfung nie meistern musste, dann ist es pure Ignoranz. Wenn ein Australier süffisant meinen Akzent im Englischen kommentiert, dann konter ich gelassen “let’s talk again when you manage to speak more than English.” Oder ein Professor an der Uni gar einen indischen Akzent in meinem Deutsch heraus hören wollte. Echt? Ich glaub, er meinte den deutschen Akzent in meinem Österreichisch.
Akzente zeugen von Mut und Ehrgeiz sich dem Unbekannten zu stellen und sich mit ihm vertraut zu machen. Ein Akzent ist der Beweis, dass man sich nie mit irgendwas zufrieden gegeben sondern gekämpft hat. Der Akzent ist aber auch der Tribut an unsere Wurzeln und unsere Farbe, die lässt sich mit keiner Bleiche der Welt löschen. Uns stärkt der Mut anders zu sein. Auf jede uns eigene Art sind wir anders, aber mich interessiert kein Einheitsbrei.

Wir sind stolz auf unsere Farbe. Wir lieben die Menschen, die hinter die Farbe zu sehen bereit sind, aber uns nicht als exotische Wesen beäugen.

In allen Dingen muss Bewusstsein liegen. Wir haben für vieles einen Automatismus entwickelt, das Denken fällt uns zunehmend schwerer. Aber wie können wir uns weiter entwickeln, zu besseren Menschen, zu Vorbildern für unsere Kinder, wenn wir nicht lernen bewusst und kritisch zu denken?

Wir müssen hinsehen und unsere blinden Flecken bereinigen, uns trauen zuzulassen, dass es so viele Perspektiven zu einer Sache gibt. Ich übe diese Kritik nicht nur an mir sondern an allen. Wir allen sind nicht davor gefeit unbemerkt verletzend zu sein.

Der Mensch muss Fehler machen, aber wir blamieren uns gehörig im kosmischen Vergleich wenn es immer wieder die gleichen sind! Eine solche Menschheit kann in meinen Augen ruhig von einem Meteor getroffen werden. Tabula rasa!

Ich war immer stolz in Österreich zu leben. Aber die Zeiten haben sich geändert. Ich leide unter der Verrohung und dem Egoismus. Ich wehre mich mit Händen und Füßen gegen diese Regierung. In diesem Österreich will ich so nicht leben.

Ich bewerbe hiermit nochmal mit Inbrunst Stefan Zweigs “Die Welt von gestern” und Oskar Dutch’ “Thus died Austria”.

It is a sign of great inner insecurity to be hostile to the unfamiliar. Anaïs Nin
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seen at AIDS2018

To my parents, whos daughter has been “cursed” with a head of her own.
And some wisdom for October 26th

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Kühtai

“Ohr dear, Diyani, I would love to have your color!”
“Better not, as you always will be asked where you come from.”
People with a complexion resembling over-grilled carrots from the tanning booth are not asked this question. Why?

I am overly sensitive to everyday racism. I often react ironically to sarcastically.
One patient once addressed me with “You must be very lonely, so far away from home.”
“Carinthia is not so far away.” I replied coolly but politely.
“No, no, I think you should go back to where you came from.”
How did he mean that? Did he speak of himself, the Southtyrolean, who decades ago decided in favor of Austria, but had never been able to cope, and showed sympathy?
He did not accept my declaration that Austria was home so I let it go.

But sometimes even I walk the muddy grounds: Another patient accused me of racism, as I pitied the circumstances of not being able to conduct a proper conversation after 40 years living in a country without managing the language, without a translator.
Am I racist?
I reckon not. Let me explain:
I can imagine how it must have happened. She was catapulted into emigration. Better training opportunities, no questionable sanctions of an opportunistic political system in the grip of a desperate civil war. It was the best for the children. Who ever asked whether it was the best for her?
That’s what happened to our mother at least.
We were all busy, new country, new school, new friends, pants! We were small, could we gauge how difficult that was for a 30-year-old who was pushed into a western country so very alien that it could as well have been another planet? Our mother was dedicated, courageous and strict. With us and herself. We spoke three languages, with her heavy-handedly only Sinhalese. With our Paps German. How should she have been learning German, harnessed to the education of two children in the midst of conflicting cultures? Over the cold-meats counter?
She studied with us through her beloved mathematics. She used to sit around our tasks long after we went to bed just to understand.
She listened to German on cassettes or with us to children’s stories until her ears were bleeding. She had to go through Austrian cookbooks because her brats decided one day, curry caused pimples and went on rice& curry strike. From then on there were two dishes every day. As a punishment however we had to eat Carinthian cheese noodles until she mastered them to perfection. I suffered from a slight nausea for years just hearing the word “Topfen”.

Our parents fight an invisible struggle, with us, for us, against duality, for the Sinhalese mentality, against the decline of values. We beat back with a Sinhalese strike, declarations about how much we hated studying Sinhala letters and Buddhist prayers. We were cruel. But we thought our parents were mean. They brought us here after all and then we should live like in Sri Lanka? I wanted to go out, dance. I wanted privacy! I did not understand why all of Sri Lanka had to be informed about my “becoming a big girl”. A ceremony? No way. I owe it to my mother that I was spared the embarrassment. But I was still steaming mad! I did not know how to sit between two chairs!

Migration means so much more than an adventure, a new beginning. It’s a never-ending dichotomy for every generation. Which, if we do not pay attention to, splits our families.

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our interpretation of integration
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yes.. me in a Dirndl..

So when I state that it is a pity that one can not speak the language of the country, it comes from a place of deep understanding of the circumstances in which that patient was stuck. But if anybody else, who never had to master this exam, comment on the poor language knowledge then it is pure ignorance. If an native English speaker smugly observes an accent in my English, I retort calmly. “Let’s talk again when you manage to speak more than English.” Or a professor at the university once even believed to hear an Indian accent in my German. Really? He must have meant the German accent in my Austrian.
Accents bear witness to the courage and ambition to face the unknown and to familiarize oneself with it. An accent is the proof that you have never been satisfied with mediocre but fought for more. An accent is also the tribute to our roots and our color, which cannot be erased.
We are proud of our color. We love people who are ready to see beyond.

There must be consciousness in all things. We developed an automatism for many things, thinking is increasingly difficult. But how can we develop, become better people, role models for our children if we do not learn to think consciously and critically?

We have to be present and diminish our blind spots, dare to allow different perspectives to one thing. I practice this criticism not only on me but on all of us. We are not immune to unnoticed hurtfulness.

Man must make mistakes, but we embarrass ourselves in the cosmic comparison if we continue to make the same again and again! Such a humanity can be readily be hit by a meteor. Tabula rasa!

I was proud to live in Austria. But times have changed. I suffer from the ignorance and selfishness. I opose this government tooth and nail. I do not want to live like this in this Austria.

I hereby full-heartedly recommend Stefan Zweig’s “The world of yesterday” and Oskar Dutch “Thus died Austria”.

It is a sign of great inner insecurity to be hostile to the unfamiliar. Anaïs Nin

1 thought on “Bewusst sein – Being conscious”

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