Beflügelt

Hinter den sieben Bergen

… bei den ziemlichen alten Zwergen.

Vorbei an Rehen, Hasen, Füchsen, Pferdekoppeln und kleinen Ortschaften, die einem Zyniker Freude machen weil deren Namen auf “stadt” enden, bin ich am Weg zu einem Bewerbungsgespräch im Südosten Deutschlands, in der ehemaligen DDR.
Schwöre, ich habe einen Fuchs gesehen! Sein Blick sagte so viel wie “hoffentlich besucht du nur deine Oma oder ein Kloster.”
Ja, ich bekennendes Naturmädel war im Thüringer Nirgendwo gelandet.

Ich bin eben immer schon ein Sklave meiner Leidenschaften gewesen. Die Dermatologie ist meine berufliche große Liebe, für die begebe ich mich auch fernab des Schuss!
Dieser Schuss ist ca 1.5 Stunden von Würzburg entfernt und führt eben eine Dermatologie.

Nachts um 21:30 kam ich am Bahnhof an und fürchtete prompt am falschen Ort zu sein, es begegnete mir keine Menschenseele. Zum Glück hatte ich mich aus Faulheit direkt ins Hostel am Bahnhof eingemietet. Die abnehmenden Strahlen der Abendsonne war nicht vorteilhaft für die Stadt in Kombination mit einer beeindruckenden Stille, als ob es nachts um 3:00 sei.
Ich huschte zum Hostel und nach dreimaligem Eindrücken des Codes polterte der Schlüssel so laut ins Fach, dass ich bestimmt die Nachbarn geweckt habe. Einmal aber kurz umgeblickt, versöhnte ich mich, denn da war ja eh nix außer einem Altersheim. Wobei, wir alten Turnusärzte wissen ja, was für ein sensibles Spinnennetz der Schlaf im Alter ist. Ich hoffte aber, dass genug Halcion ausgeteilt wurde oder ich würde Gesprächsstoff am Frühstückstisch sein (“Habt ihr das gestern auch gehört?! Was das wohl war, hatten wir ja noch nie!!” “Achja, ja schlimm- ich sag es doch immer, die Welt geht zugrunde!”)
Mein Zimmerfenster ging auf den höchst attraktiven Busbahnhof, was mich komischerweise freute, denn ich würde doch bestimmt vom Morgentummult geweckt werden.
Irgendwer hat wohl die Stadt verzaubert, um 8:00 war noch immer mucksmäuschen still! Erst gegen 9:30 hörte ich paar Kinder!

Am Morgen saß ich bei einem Bäcker. Ich wurde hier ähnlich argwöhnisch beguckt wie der Touri, der nach WiFi fragt.(Oder das Phänomen Tourist an sich?)
Ob das meiner Hautfarbe oder meinem jugendlichen Äußeren geschuldet war, kann ich nicht sagen.
Das Durchschnittsalter ruhte (oder schnarchte) zwischen 55 und 75. Falls ich junge Menschen ausmachen konnte, dann schoben sie Babybauch oder Kinderwagen vor sich her.
Ich hätte schwören können, dass die Bedienung endlich ihre Seelenverwandte in mir gefunden zu haben glaubte, denn sie war auch “anders”. (Es könnte aber auch mein Wunschdenken gewesen sein.)

Um sich von der DDR Patina frei zu machen, hatte man vor Jahren begonnen im Norden der Stadt der DDR Architektur den Gar auszumachen und dem brain drain ein Ende zu setzen.
Ich sah keine Plattenbauten, aber dafür niedliche Fachwerkhäuser und die ewig dominate Kirche in dottergelb, hoch über der Fußgängerzone thronend. Einst existierte hier eine Philharmonie, fiel aber den Sparmaßnahmen zum Opfer. Wer braucht schon Kultur, nicht?

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Hochoffiziell war ich zum Dinner beim UNHÖFLICHSTEN Chinesen ever!
Beim Eintritt schaute mich eine mittelalterliche Frau an und schrie, “das Korb!!” Ich sah sie entgeistert an und sie wiederholte wild einen Teller wischend “in Korb!”
Ich soll im Korb sitzen?! Nach drei Sekunden und die Möglichkeiten abwägend, hoffte ich, sie meinte den Schirm in meiner Hand. Noch immer hatte sie sich keinen Zentimeter bewegt, was wohl auch gut war.

Sie haute die Fragen raus, wie Kinnhacken!”Huhn oder Ente!!?? ”
Ihr rechter Hieb ” bitte schön!!!” hätte jeden Knigge-Experten an der Welt zweifeln lassen.
Ich war versucht mich zu entschuldigen (und eine Taekwondo Position einzunehmen,falls sie tatsächlich ausholen sollte), dass ich mich erdreiste ihre Fahrt in den Konkurs zu stören!
Ein wackliger dreibeiniger Tisch hätte in diesen verlassenen Lokal aus der Hölle völlig gelangt, nur verrückte Nicht-Einheimische können meinen, es nicht “to go ” haben zu wollen. Denn meine Bemerkung, ich wolle im Restaurant essen, quittierte sie mit einem “hmpf” und einem Nicken, das bedeutete “Schnepfe, jetzt muss ich wegen dir einen Teller waschen!”
Es zog mir ja fast die Schuhe aus, als sie sich bedankte! (und sorry Paps, Trinkgeld gab es keines!)
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Einmal noch durch die unheimlich Unterführung (und das bereits bei Tageslicht, falls es die Mühsal der Unterdrückung durch die DDR widerspiegeln sollte, war es gut gelungen: rote Lampen, die ein unheimliches Glühen an die Graffitiwände warf und uneinsehbare Winkel luden nicht zum verweilen ein) durch, verkroch ich mich in meinem Bett und morgen geht es zurück in die geschäftige Zivilisation… Nach Velden!

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