7:30 fährt mich ein klimatisierter Bus von Amman nach Petra. Der Plan ist: aus dem Bus, Rucksack abwerfen und los marschieren.
Da aber mein Hotel, ein Zelt im Seven Wonders Bedouin Camp, zu weit weg ist, das Visitor’s Center keine Gepäckaufbewahrung hat, riskiere ich T-shirt und Zahnpasta indem ich meinen Rucksack in einem Souvenir Shop abstelle. Der Typ war mir nicht ganz geheuer, will den Deal, dass ich am nächsten Tag mit ihm Petra besichtige, mit einem Bussi besiegeln.
Oy, ich würde meinen Rucksack nie wiedersehen….
Die Aussicht auf eine frische Wäsche befreite Reise verdränge ich erfolgreich, zu groß die Aufregung, irgendwo würde ich schon Kleidung her bekommen.
Mein Guide, Mahmoud, ist ein sehr netter und zurückhaltender Guide, wie ich schnell feststelle. Nicht der Typ “ich setze an und rede in einer Tour durch sonst vergesse ich das Auswendig gelernte”.
Er zeigt mir natürliche Steinformationen, die wie Fische, Kamele und küssende Paare aussehen und erzählt mir von den Nabatheär und ihrer ausgeklügelten Wasserversorgung, Die Nabatheär waren ihrer Zeit weit voraus, was Wasserversorgung und Aufbereitung angeht, entlang der Felsen verlaufen Kanäl, die die ganze Ortschaft versorgt haben, alle paar hundert Meter findet sich eine halbe Meter tiefes Becken, das Sediment auffangen soll, ich Schlaumeier bin überzeugt, dass es zum bergen von Rubinen gedacht war. Wohl etwas zu viel Indiana Jones geschaut. Hier gibt es keine Schätze, nie gegeben. Auch finde ich den Heiligen Gral nicht.
Es gibt nur wenige Erlebnisse auf Reisen, die mich stumm vor Staunen sein lassen-ja ich habe eine Art und Weise kultiviert, die es mir erlaubt mit vollem Mund zu reden; das waren so weit der Taj Mahal und Angkor Wat (Ta Proohm im speziellen). Ich werde nie vergessen, was das für ein tolles Gefühl es war, vor so was Wunder – Mächtigem zu stehen, das Menschenhand geschaffen hat. All das Romantisieren kann ich aber nicht nachempfinden (dabei bin ich eine der führenden Romantikerinnen!), wie etwa um vier Uhr morgens sei Angkor Wat in ein besonders einmaliges Lichtspiel getaucht – echt jetzt, um vier Uhr ist finster und selbst die Affen in Angkor Wat pennen noch! Das gleiche gilt für den Taj Mahal, von wegen das Abenrot färbe den Palast rosa. Wir saßen geschlagene vier Stunden im Park gegenüber, die Sonne ging unter, der Palast blieb wie er war. Manches ist in seiner Natürlichkeit schon überwältigend genug, da braucht es nicht diese Verzerrung, als ob man es sonst nicht in Erinnerung behalten könnte.
Das kann der Poesie und Literatur vorbehalten bleiben.
Genauso viele romantischen Geschichten gibt es über Petra, “a rose red city, half as old as time” (John William Burgons Gedicht über Petra ohne vorher dort gewesen zu sein, groß und bitter war seine Erkenntnis, als er Petra sah und in einem Brief fest hielt “there is nothing rosy about Petra” ) . Ja an manchen Stellen ist der Sandstein aufgrund des Eisens rötlich, mit viel Sättigung, Filter und Weichzeichner geht es als rosa durch.
Aber auch hier wieder, wozu? Wenn der Anblick der Siq, die sich ganz plötzlich in den weiten Platz vor des Khazne al-Firaun (Schatzhaus des Pharao) öffnet, einen nicht umhaut, dann hätte es den Blick auf eine Postkarte genügt.
Es ist ein ganz schönes Stück bis man zum Beginn der Siq gelangt.
von da an bin ich nur noch dabei über die Steine zu stolpern weil mein Blick gen Himmel gerichtet ist und fasziniert die Felsen betrachte, die sich zu einem runter neigen, kühlenden Schaden spenden und in eine andere Welt eintauchen lassen, dass ich ganz vergesse, was nach dem Siq wartet.
Während ich mich so durch die Siq staune, komme ich den eigentlichen Spektakel immer näher.
Mein Guide lässt mich die Wegseite wechseln und fragt mich, was ich sehe. Was soll ich denn sehen, frage ich zurück.
Und da… Zwischen den Felsvorsprüngen leuchtet ein Eck vom Schatzhaus durch! Leuchtet, weil die Sonne gerade den Platz überstrahlt. Ich hatte nicht zu viel erwartet.
So fasziniert bin ich vom Anblick des Schatzhauses, dass ich dreimal hin gegangen bin um es zu genießen. Das letzte mal bei Nacht. Ich geniesse es in solchen Momenten für mich zu sein. Ich will nicht reden, sondern staunen, aber leider denken nicht alle so, manche schnattern von Anfang bis Ende durch und sind nur durch wiederholte Ermahnungen stumm zu kriegen, andere eilen um die ersten und schnell wieder zurück zu sein, dass diese die hypnotische Musik und die Erzählungen verpassen, die ein Bedouine uns im Lichtermeer, dass wie ein Teppich vor dem Schatzhaus liegt, erzählt während wir Schwarztee mit Salbei schlürfend am Boden sitzen. Alles ist still, eine Katzenfamilie schnurrt sich zwischen unseren Füßen ihren Weg durch und das Schatzhaus erhebt sich mächtig über uns von einem schwachen Schimmer der Lampions erleuchtet. Kein Foto könnte diese Atmosphäre aufnehmen, abgesehen davon, dass meine Kamera nur Dunkelheit erfasst. Das ist ein Bild für die Fantasie.
Nach dem ersten Tag in Petra kommt mir meine Entscheidung, wie ein Bedouine schlafen zu wollen, in dem Moment als eine schlechte vor, als ein zerbeulter Land Rover samt fünf Männern vor mir Halt macht und behauptet das Camp Taxi zu sein. Der, der mir das alles vorträgt, sieht aus wie all die anderen Bedouinen, die ich in Petra im Laufe des Tages getroffen habe: ( wie Jack Sparrow, ich dachte schon ich halluziniere) Kohl umrandete Augen, die dem Blick Tiefe und ein Geheimnis verleihen, ein locker um Kopf und Schulter geworfenen schwarzes Tuch, gut gestutzter Vollbart und ein breites Grinsen. Murat.
Murat überzeugt mich gar nicht, schon gar nicht als er “Enjoy guys” ruft und die Tür zu knallt.
Ok, ich mache die Tür auf, hole mein Handy raus und will die Inhaber anrufen. Murat tritt vor mich. Schaut mich mit seinen verrückt schönen Augen an und fragt “you don’t trust me? Jane is my aunt”, ich schau ihn groß an und frage, was das denn beweisen sollte, er kann ja mit allen verwandt sein. Er lacht, zückt sein Handy und reicht es mir. Ich, schon etwas wütend, erkläre, dass ich ein eigenes habe.
Nach mehrmaligen Versuchen und dem Lachen der Jungs im Hintergrund, erreiche ich Jane, sie bestätigt mir, dass ich keine Sorge zu haben brauche. Sie hat gut reden, ein Auto voller Männer, die mich in die Wüste fahren und keine Sorge haben?! Ich war noch immer nicht Indiana Jones.
Ich kralle meine Hand in den Fensterrahmen und versuche mir alle Weggabellungen zu merken, falls ich plötzlich aus dem Auto hechten müsste um davon zu laufen. Es hilft auch noch immer nicht, dass Murat mir eine Cola und noch eins seiner Lächeln anbietet.
Erst als wir, nach gefühlten zehn Stunden und mehreren Stoßgebeten, beim Camp anlangen, trau ich mich deutlich sichtbar aufzuatmen.
Wenn ich gedacht hatte, drei Stunden durch Petra würden mich erledigen, habe ich mich getäuscht. Ein Auto voller geheimnisvoller Bedouinen ist es.
Murat ist sofort zur Seite und von da an macht er sich nur mehr noch lustig über mich. Fragt mich, was ich denn für Horrorfilme gesehen hätte und ob er denn nicht vertrauensvoll rüber komme? Entschuldigung,nein. Ich bin noch immer hin und her gerissen zwischen vor ihm davon laufen oder mich in seinen Augen verlieren!
Wie stellen die das nur an??
Trotz aller Widrigkeiten verstehen Murat und ich uns gut, vor allem was das auf den Arm nehmen angeht (nachdem ich ihn immer wieder nach seinem Make up gefragt habe und er dabei die Stirn runzelt und erwidert “that is not make up, that’s coal” lache ich ihn aus “coal IS make up!” tatsächlich tragen sie es um sich vor dem Sand zu schützen. Ich bleibe aber auch bei meiner Theorie, dass es auch zur Verwirrung der Frauen gilt). Er schickt mich nämlich, kaum dass ich dem Kidnapping Versuch entkommen bin, auf einen Hügel, von dem aus der Sonnenuntergang schön zu beobachten sei und der Aufstieg sei “easy”.
Easy?! Das ist Klettern für Halsbrecherische. Ich schnaufe und zittere mich hinauf, wo bereits ein italienischer Gast auf mich wartet um mir hilfreich die Hand anzubieten, natürlich war ich zu stolz diese anzunehmen. Und was ist? Sonne war weg, ich sehe noch wie der rote Schimmer hinter den Hügeln verschwindet und ich könnte schwören, ich hörte die Sonne über mich lachen. Ich riskiere mein Leben zum zweiten Mal am selben Tag und dann das.
(Da ich hier liege und schreibe beweist, dass ich gut wieder runter gekommen bin, am Popo rutschend.) Dem Murat werde ich was erzählen! Als ob er es gerochen hätte, steht er vor mir als ich mir den Sand abklopfe und fragt “and, you liked it?”
Ich schaue ihn schief an und sage nur, dass er mich zum zweiten mal in Gefahr gebracht hat. Da lacht er und sagt, “oh I would have called helicopter for you”.
Am Abend werde ich des Chefs ansichtig. Da komme ich mir vor wie in 1001 Nacht (zumindest stelle ich mir das so vor). Eine Erscheinung in einem tief schwarzen Kaftan. Groß, gutaussend und (wieder) mysteriös. (am letzten Tag nimmt er mich in eine Umarmung und fragt, “you really mistrust my boys? ” (Murat, du Petze!))
Wenn die alle so schön sind, ist es kein Wunder, dass sich romantische Frauen für ein Leben in der Wüste entscheiden.
Nicht ich, auch wenn ich zugegeben in eine Depression verfallen bin als ich heute morgen den Camp und Petra verließ.
Das Camp ist voller interessanter Menschen, Mitarbeiter wie Gäste. Nicht nur Murat hat mich fasziniert (wie es unschwer zu lesen ist) sondern auch Rachel, eine amerikanische Ureinwohnerin unter den Bedouinen oder Gäste, die wie ich im Ausland arbeiten und Jordanien bereisen.
Wir verbringen die Abende mit süßen Tee am Lagerfeuer, reden, lachen und freuen uns wenn die Lampions an den Hügeln angehen und der Sternenhimmel sich über uns ausbreitet.
Jetzt bin ich am Roten Meer aber weit und breit keine Magie und Dunkle Prinzen mehr.
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