Beflügelt

Kalutara

Gegen Zugfahrten hatte ich noch nie viele Einwände, wenn sie eine gewisse Zeit nicht überschreiten, möglichst aufregend (im Sinne von meiner allzeit beliebten Beschäftigung “Leute gucken”) und/oder bequem sind.image

Heute ging es von Matara nach Kalutara. Wir entschieden uns für die 2.Klasse, die, außer dass sie weniger überfüllt ist als die 3.Klasse, keine sichtbaren Vorteile birgt. Die Sitze laden dort wie da aufgrund der “Laminierung” zum fleißigen Schwitzen ein, dem auch die paarweise pro Wagon angebrachte Deckenventilatoren nichts entgegen zu setzen haben!
So fahren wir volle Fahrt voraus und strecken die Köpfe beim Fenster hinaus und atmen die verrauchte Luft der Lok. Alle paar Minuten gibt sie ein Pfeifen von sich, das jeden in der Nachbarschaft aus dem Nachmittagsschlaf reißt.
Der Zug ist ein Monstrum aus Metall und Holz (laut meinem Vater inklusive Wanzen in den Ritzen der Fensterrahmen, denn er wurde gebissen. Behauptet er.)

Bis Galle ist der Zug eine Tschutschu-Bahn, die an jeder Haltestelle hält; mein Vater war über diese Tatsache sehr ungehalten, denn so kam der Zug nicht zum gemütlich Dahinschaukeln und mein Vater so nicht zu seinem Schläfchen.

Die Zugfahrt erinnert mich an unsere Reisen in den indischen Zügen.
So bald ein längerer Aufenthalt angefahren wird, steigen sämtliche Bauchladen-Besitzer in den Zug und verkaufen Shrimps- Wade, Nüsse, Wasser und Lose für das große Glück auf die Million.
In Indien konnten wir den Rhythmus schon auswendig: “Pani, Pani, Pani!!!” Oder auch “Chaiii, Chaiii, Masalachaiiii!”
Unser Liebling war aber immer “Eggsandwich, Eggsandwich”, denn wir verstanden “Eastsandwich, Eastsandwich” und wir sangen weiter “Westsandwich, Westsandwich!!”

In Galle riskiere ich unser aller Mägen, weil es mich so nach den Fish Chinese- Roll (ich habe keinen blassen Schimmer warum Chinese) gelüstet, die am Bahnsteig verkauft werden. Mich schreckt auch nicht die Tatsache ab, dass der Typ die Rolls mit bloßen Händen angreift. Hier behalte ich mir meine Naivität bei und bin überzeugt, er desinfiziert sich IMMER die Hände.
Ich Routinekamikazin trinke ja sogar Leitungswasser!

Die Fahrt führt an den schönsten Stellen der Westküste entlang und das Meer funkelt wie ausgestreute Edelsteine und die berühmten (weil auf vielen Postkarten der Garant für Urlaubsfeeling) Palmen hängen gen Strand und bieten Schatten, so fern man sich traut eine (im wahrsten Sinne des Wortes) Kopfnuss beim genüsslichen “unter einer Palme liegen ” in Kauf zu nehmen. Es wird auch von Toten durch herab fallende Kokosnüsse berichtet.

Nun sind wir endlich im Haus meiner Verwandten mütterlicherseits angekommen. Hier befinden wir uns in so einer bewohnten Baustelle. Das Haus ist schon seit Jahren eine solche, es erinnert in keinster Weise mehr an das Haus meines Großvaters. Alles ist oder wird umgebaut. Der nackte Zement lacht von vielen Stellen der Wand, man läuft auf groben Stein und einer dicken Schicht Staub und die Räumlichkeiten sind wie ein Irrgarten angeordnet.

Früher war ich immer am liebsten in Kalutara, das Licht war schummrig und die Atmosphäre romantisch. Die Familie meiner Mutter ist bodenständig, unverfälscht in ihrer Genügsamkeit und Zufriedenheit.
Auch das Essen schmeckte anders, weil meine Tanten Geschichten erzählten, während sie draußen am Feuer kochten. Sie kochen auch heute noch draußen am offenen Feuer in Tontöpfen. Der unvergleichliche Duft von Sambareis hängt in der Luftimage

Mein Großvater war Polizist und er hatte immer ein Faible für die englische Sprache; er wirkte auf mich, als kleines Mädchen auch so, immer nur in Hose und Hemd und ständig eine Zeitung oder ein Buch in der Hand. Er hatte eine sehr angenehme ruhige und leise aber bestimmte Stimme, wie trauten uns nie ungehorsam zu sein, die Strafe wäre schrecklich gewesen. Sein Wort war Gesetz und er wiederholte sich nicht gerne.
Meine Mutter erzählt gerne davon, wie sie Angst hatte ihm ihre Mathe- Aufgaben zu zeigen, weil er sich dann samt ihres Heftes kurz zurückzog um mit mehreren Seiten voll mit ähnlichen Aufgaben zurückzukommen um ihren Nachmittag zu ruinieren. (sie quälte uns auf ähnliche Weise, daher hält sich mein Mitleid in Grenzen, ihretwegen hatte ich Algebra- Albträume) Um Papier zu sparen, musste sie mit ihren Geschwistern diese am Boden machen, bis er irgendwann voll gekritzelt war mit Algebra. Das blieb uns erspart, es wäre auch der Parkettboden nicht so standhaft gewesen wie ein Steinboden.image

Heute stöbere ich genüsslich in den alten Büchern meines Opas und muss feststellen, dass er eine Vorliebe für Kurzgeschichten und Gedichte hatte. Es gibt kein Buch, dass nicht Notizen von ihm am Rand trägt, fein säuberlich mit einem gutgespitzten Bleistift geschrieben. Er besaß eine “Dschungelbuch”- Ausgabe aus dem Jahre 1948 mit schönen Skizzen, aber so wurmzerfressen und arm an fünfzig Seiten, dass wenn wir es und trauen würden, es zum Altpapier bringen sollten. Sagt sich leichter als es dann ist, wir werfen ja auch ein Stück Opa mit weg. Die Bücher sind ein Vermächtnis, da steckt seine Leidenschaft und Klugheit drin.
Ich nehme mir ein Band “Short Stories”mit und bin schon sehr neugierig auf was für Randnotizen ich stoßen werde.

Hier in Kalutara gibt es aber auch ein Riesen-, darmverknottendes, Problem. Das Plumsklo. (Im Fachjargon auch Trockentoilette genannt, da keine Wasserspülung vorhanden ist, somit klärt sich auch die Frage über die Begriffe “wet”und “dry”- Toilett in Pinnawela!)
Als Kind war das ja Gang und Gäbe und nie ein Problem, aber kaum war ich in Österreich und saß zum ersten Mal richtig komfortabel am WC, verlernte ich es, mich beim Plumpsklo-Gehen nicht anzupinkeln. Jetzt stehe ich seit gut sieben Jahren wieder vor dem Problem. Aber in Retrospektive war es Pipifax! (ach, die Wortspielereien sind doch was lustiges!) Ich sehe es als eine gutdurchgeführte Kniebeuge bzw eine saubere Abfahrerhaltung.

Am nächsten Tag sind wir mit dem Bus zurück nach Matara gefahren und ich hielt Ausschau nach Pfauen.

Quellen:
Zug Flickr

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