Gelebtes

I am from Austria

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Es ist der 26.10, unser Nationalfeiertag

Ich sage “unser”, weil ich echt froh bin, dass mein Vater in seiner Müdigkeit (er behauptet es wäre die Müdigkeit gewesen, wir wissen es nicht so genau, es war schließlich irgendwann Ende der Siebziger) seine angepeilte Destination verpasst hat und stattdessen im beschaulichen Velden am Wörthersee gelandet ist. Nicht etwa Wien, wo ja beinahe jeder Ausländer beschließt zu bleiben. Ich kann das ja auch verstehen, da kommt man in ein nicht so großes Land in Europa, welches jeder mit Australien verwechselt und diesbezüglich völlig unbelehrbar bleibt, da will Einwanderer nicht auch noch in einem Zehntausend-Seelendorf leben, der außer einem Österreicher überhaupt kein Begriff ist!

Als Jugendliche wäre es mir zugeben aber lieber gewesen, wir wären in der Metropole aufgewachsen, denn Velden konnte damals nicht wirklich begeistern. Abgesehen mit dem See. Wir hatten aber bitte schön ein Kino, Himmel sei Dank dafür! Aber das gibt es mittlerweile auch nicht mehr.
Aber das schlimmste: der Wiedererkennungswert! Wir waren die bunten Hunde in Velden. Papa hatte die Veldener schon mal auf den Farbenschock gut vorbereitet!

Als wir 1989 nach Österreich kamen, steckte ich in meiner ersten langen Hose und war fasziniert wie genial Hose doch ist, das war der Beginn meines Weges eine stetige Enttäuschung für meine Mutter darzustellen! In Sekundenschnelle war ich zur Westlerin geworden und das bevor ich noch einen Fuß nach Europa gesetzt hatte!
Es war Winter und kurz nach Weihnachten, als wir in Velden ankamen und aus dem Autofenster zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Phänomen “Schnee” machten. Mein Bruder und ich waren überwältigt und baff. Bestimmt hatte unser Papa uns schon davon erzählt, aber das dann ALLES weiß ist und glitzert, das hatte er vergessen zu erwähnen!

Unsere ersten Nächte bis die neue Wohnung so weit war, verbrachten wir im Seeschlössl. Die wunderbarste erste Unterkunft, die ich mir vorstellen kann! Im Foyer stand ein alter Flügel und unser Zimmer war riesig, dessen Fenster zeigten uns den Wörthersee, ganz still und frostig.
Es ist beeindruckend, wie frisch und fühlbar meine Erinnerungen an unseren ersten Tage sind.
Mein Bruder und ich trugen unsere ersten Pullover: Mickey und Minnie Mouse.
Wir machten am nächsten Tag gleich einen Spaziergang zum See. Meine Mutter sah prächtig aus in einem langen braunen Ledermantel, wie sie da mit uns zum See ging.

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Daweil machte Papa das erste (und auch das letzte) Frühstück für uns: Spiegelei mit warmer Milch! Seit dem liebe ich den Duft nach warmer Milch. Das ist für mich Heimeligkeit.
Ich war sechs, bald sieben Jahre und bereits verliebt in Österreich!

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Die Freunde meines Vaters nahmen uns sofort sehr herzlich auf. Wir wurden überschüttet mit Spielzeug und Büchern. Wir waren im Schlaraffenland!
Die schönsten davon: eine rothaarige Puppe und ein Bär in Tracht (der erste Schritt in Richtung Integration)!
Das erste Buch: ein Bilderbuch, zum Deutschlernen.

Wir waren zwar die einzigen unserer Art, die wie wandelnde Schokoriegel gewirkt haben müssen, aber ich kam mir nicht fremd vor.
Fremdenhass war mir lange lange Zeit ein Fremdwort (ha!). Ich sage nur: Je bunter desto doller!

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Wie ich viel später herausfand, gab es auch andere bunte Mitbewohner in Velden. Nämlich eine Freundin, wie sie sich selbst nennt eine “halbe Garnele”, meine liebe Simoné!

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Ich bin Österreicherin, wenn es um all die wundervollen Dinge geht, die dieses Land zu bieten hat. In allem anderen, das mir gegen den Strich geht, bleibe ich Kosmopolitin.

In meinem Leben ist alles Wunderbare fast immer ein Unfall, ein Zufall oder Überfall gewesen. Der Umzug nach Österreich war ein Überfall, meine Einschulung ein Unfall, denn ich lag mit Windpocken im Bett und verpasste die ersten Schultage! Na super, die bunte Mitschülerin platzt sieben Tage später in die Klasse und trug auch noch mit vollem Selbstbewusstsein ihrer Schultüte im Arm! Ich war eine Lachnummer.

Mein Gymnasiumseintritt war ein Zufall. Meine lieben Eltern hatten sämtliche Anmeldefristen verschlafen und sie waren eingeschüchtert von der Empfehlung meiner Lehrerin, mich wegen meiner zwei Zweien (Deutsch und schändlicherweise Mathe) in der Hauptschule anzumelden. Hallo? Ich war vier Jahre in Österreich, da könnte man auch mit einer wesentlichen schlechteren Note in Deutsch abschließen!
Meine Eltern sind überzogen ehrgeizig also meldeten sie mich, ohne mich zu fragen, im BRG VIKTRING an. Im Musikzweig. Ich hatte zwei Wochen ein Lied für die Aufnahmeprüfung zu lernen, ich entschied mich für “Alle Vöglein sind schon da”.
Mir war es egal, wo ich weiter Schule ging also nahm ich die Aufnahmeprüfung auf die leichte Schulter.
Erst Jahre später war mir klar, was an diesem Vormittag passiert ist: Singen vor dem Direktor, während er absichtlich falsch am Klavier klimperte und mich durchgehend streng ansah. Es wurden nicht viele Worte gewechselt, lediglich der Kommentar abgegeben, dass eine Elektroorgel nicht ausreichend sei. Ich war aufgenommen!

Österreich hat eine reiche Kultur und wie schade wäre es gewesen, wenn ich dem nichts hätte abgewinnen können. Ich lernte Mozart, Schubert, Strauß, etc lieben (ich hatte hingenommen, dass ich nicht musikalisch und das Klavierspielen die reinste Folter für mich war) und wurde noch mehr zur Leseratte (Köhlmeier Sunrise, Hackl Abschied von Sidonie, Zweig Schachnovelle, Torberg Der Schüler Gerber, Horvath Jugend ohne Gott, Schneider Schlafes Bruder, etc etc).

Ich bekam auch Einblick in den Katholizismus, aber auch nur deswegen weil mein Vater darauf bestand, dass ich am Religionsunterricht teilnahm.
In der Volksschule wurde der Unterricht vom Dorfpfarrer abgehalten und dem war ich immer zu frech und ich erfuhr, nach Schlägen auf die Finger mit dem Lineal in meiner Klosterschule in Sri Lanka, die nächste “körperliche Züchtigung”: Er zog mich am Ohr!
Im Gymnasium ging ich dem nächsten Religionslehrer auf die Nerven, bis er mich anbettelte ich möge doch, so wie die anderen, mich vom Reli-Unterricht frei melden. Warum sollte ich? Ich fand die Bibel zum schreien!
Ein berühmter Spruch unseres Lehrers: “Lippen auf Lippen” mit dem Zusatz “aber BITTE auf die eigenen” als wir pubertierenden Mädchen laut zum quietschen anfingen!

In Österreich zu leben bedeutet für mich jeden Tag bewußt oder unbewusst immer zwischen dem srilankan und österreichischen Teil in mir abzuwägen. Ich habe für mich die Metapher “zwischen zwei Stühlen sitzen” daher so interpretiert: Ich seh darin einen Vorteil, mal auf dem einen und mal auf dem anderen Stuhl zu sitzen und so von beiden Kulturen das Beste zu genießen. Es ist nicht immer einfach bei zwei so divergenten Kulturen, viele Dinge stehen einfach im krassen Gegenteil zueinander. Ich bin aber froh, dass unsere Eltern auf eine u.a dreisprachige Erziehung bestanden, so können wir noch immer Sinhala und lernten schneller Deutsch (und für die Strebermomente Englisch): mit Mama Sinhala, mit Papa Deutsch.

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Eine Geschichte, so oft erfahren, dass es schon langweilig ist: AUSTRIA vs AUSTRALIA.
Wie oft hab ich mich erklären müssen, sogar schon buchstabiert und dutzende Male die Hauptstadt VIENNA wiederholt, aber es ging den Menschen nicht ein. Warum sollte man etwas anderes als Australien kennen?

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Die aktuellste Erinnerung ist aus Korea als mich unser Guide fragte, “ah that’s where you don’t have Kangaroos!”
Etwas planlos hat sie geschaut, als ich völlig nüchtern meinte “yes we have them, but only in the zoo”

Auf Postkarten gehe ich ob der geographischen Ignoranz vieler Länder auf Nummer sicher und schreibe in großen (und für meine Verhältnisse erstaunlich lesbaren) Lettern EUROPE dazu.

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Ich will ja gar nicht erst vom tollen Essen reden, das es hier gibt.
Meine Mutter kann nach jahrelangem Training, beinahe alle Klassiker der österreichischen Küche. Es gab auch auch so Widerliches wie Polenta (habe ich erst vor paar Jahren wieder probiert und mich damit anfreunden können). Meine Mutter kochte ALLES!image

Ihre Kochbücher waren ein abgewetztes Lehrbuch, dem schon paar Seiten fehlten, aus dem Haushaltsunterricht anno 1970 und ein kleines schwarzes Büchlein mit österreichischen Gerichten.

Ich selbst bin Profi im Kaiserschmarren-machen. Abgesehen davon bin ich Expertin im Essen!

Zum Schluss erst die Dinge, die ich gar nicht leiden kann und sich jeder – wirklich jeder – die Zeit sparen darf mich eines anderen zu überzeugen:
* Skifahren (probiert, ist nix für mich, ich nehme nur die Hüttengaudi)
* Fasching (Verkleiden ist Verstecken für Leute, die nicht zu ihrer verrückten Seite stehen. Ich steh zu meinem fein ausgeprägten Wahnsinn. Aber auch hier: dir Krapfen könnt ihr mir ruhig lassen)
* Perchten (einfach nur grauenhaft!)
* Schlager (fast noch graurnhafter als die Perchten!)

Quellen:
Österreich http://www.presse.com
Verkehrsschild http://steiermark.orf.at
Bunny und Fisch http://www.grusskartenkaufen.de
Schild http://www.interluxe.de
Strudel http://www.grasslreith.at

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