Verzicht ist in etwa so schwierig für mich wie dreistellige Multiplikationen im Kopf meine Nervenendigungen in eine Katatonie bringen, schwer zu ertragen! Aber ich wäre ja kein Buddhist wenn ich mich nicht in jedem Moment meines Daseins darin üben würde! Diesmal bedeutet Verzicht, dass ich nicht alle Museen Wiens in einem Abend unter den Hut bringen würde, die Größe meines Zeit-Huts entspricht etwa der eines Faszinators (die fashionistas unter euch wissen, wovon ich rede). Also muss ich eine Vorwahl treffen.
Ich verbrachte die LANGE NACHT DER MUSEEN schon in Graz und Klagenfurt, letzteres ist ja ein gemütlicher Bummelgang im Vergleich zu dem, was mir in Wien bevorsteht, es scheitert hier allein schon daran, dass nicht alles zu Fuß zu machen ist (und warum sollte ich auch schwitzen wollen?!). Also wohin gehe ich heute? Eine Freundin lachte mir schon herzlich ins Gesicht, als ich ihr meine Illusionen (auch darin zeigt sich mein schir endloses Talent. Ich hätte Magierin werden sollen, so gut, wie ich mich in die Tasche lügen kann) offenlegte. Mit einem leicht bedauernnden Blick neigte sie den Kopf und sagte “du warst noch nie in Wien zur langen Nacht, gell?” Nein, ich komm aus dem Schoß der Gemütlichkeit und ich steh dazu!
Auf was ich mich da wohl einlasse? Etwa Massenansammlungen, Gedrängel und gar übermütige Eltern, die ihren Fratzen Kultur einprügeln wollen?? (lasst es euch gesagt sein, ihr erzieht euch so NUR Langzeit-Kultur und (als Nebenwirkung) Familienaktions-Verweigerer)
Egal, ich hab den Oxford Circus zu Rush Hour überlebt, dann wird das ja wohl in Wien in einem Museum nicht das Problem werden!
Meine Auswahl (ohne Gewähr): Obere Belvedere, Klimt Villa, Ärzte Ohne Grenzen “Hilfe aus nächster Nähe” Globenmuseum, Narrenturm, Leopold Museum
6 aus 122 Museen, nicht gerade der Marathon unter den Museumsläufen.
17:50 Belvedere und wen hätte es gewundert außer Diyani? Eine Schlange… Ich wusste grob, dass Klimts Werke hier hängen, ein Glück für mein ungeduldiges Herz (Roman von Stefan Zweig), dass ich nicht so gut informiert war, dass auch “Der Kuss” ausgestellt wird.
So wie immer, wenn ich mich in mitten von einer Horde Menschen befinde, bekomme ich Fluchtgefühle, so auch hier. Ja, die Frage ist berechtigt, warum ich mir dann genau heute das antue. Ich kann nur sagen “who knows?” Wann immer ich vor einem Gemälde stehe, packt mich die Angst, ich könnte jeden Moment angerempelt, mir auf den Fuß getreten werden oder ich muss mich dem neunmalklugen Geschwaffel der Kunstkenner hingeben. So seh ich mich gehetzt von der fiktiven Masse, denn es war noch nicht so viel los, von einem zum anderen Gemälde laufen. Inne hielt ich bei Monets ” Weg in Monets Garten in Giverny”, der Mann konnte nicht nur malen, er hatte auch noch einen hängenden Garten, der einen in seine blumigen Tiefen zog (am Ende kam man sicher mit Blumenkette im Haar und Tambourin heraus!) Ja und zum Schluss….
Der Kuss
Ich glaube nicht, dass ich viel dazu sagen muss. Für mich ist es das erste Mal, dass ich das Werk in echt sehe, sieben Jahre hing es als Poster in meinem Studentenzimmer. Damals war ich schon glücklich über das Geschenk, aber das echte vor sich zu wissen, das Gold funkeln zu sehen, ich war regelrecht mitgenommen. Wieviele Millionen muss ich da nochmal jede Woche zur Seite legen um es mir zu kaufen? Eher hab ich Chancen, wenn ich einen gewifften Kunstdieb finde.
Um etwas runter zu kommen, gehe ich in den Resselpark, wo “Ärzte Ohne Grenzen” eine Info-Veranstaltung abhält. Ich fühle mich da mehr als nur in der Realität angekommen. Es ist ein Faustschlag in die Magengegend. Ich bin hier, während ich da draußen mit meinen Fähigkeiten Menschen helfen könnte. Gut, ich bin keine Chirurgin. Aber der alte auf Eis gelegte Wunsch beginnt wieder aufzutauen. Da ich mich ja wieder mal vor einer Veränderung sehe, die nicht weg-illusioniert werden kann, wird mir heute wieder klar, dass ich Nägel mit Köpfen machen muss.
Nun, zurück zur langen Nacht, Weiter geht es in die Klimt Villa. Dafür muss ich eine lange Fahrt mit der U4 in Kauf nehmen, aber so bleibt mir auch viel Zeit zum schreiben und sinnieren. Die Villa liegt im chicen Stadtteil Hietzing in einer eher wenig ansehnlichen Straße. Hier hätte ich, rein theoretisch, einen Blick in das Leben und Schaffen von Klimt werfen können. Tatsächlich hätte ich mich dafür aber auf die Schultern einer der hundert anderen Besucher stellen müssen (ich war zu klein, schon erwähnt?!) So “tschuldigung”te ich mich durch die Massen und lande dann bei zwei atemberaubend schönen Gemälden. Bei dem einen muss die Vielzahl der weiblichen Köpfe, einen Besucher dazu bewegt haben, diese laut zu zählen. Ihm ist im Raum danach bestimmt der Mund offen geblieben bei den Ansichten von Skizzen mastubierender Frauen! Das andere Werk war dieses hier….
Es ist doch schlichtweg hinreißend nicht? Die Farben,ihr Hals, das Gewand, das ihr über die Schulter gerutscht ist.
Mein nächster Weg führt mich ins Globenmuseum, da wo jeder Reisende hingehört um ein Gefühl für die Unendlichkeit zu bekommen! Unter all der künstlerischen Vielfalt der Globen, ob terestrisch oder celestisch, komm ich mir beinahe schwerelos vor, im Flug durch den All… Wer da nicht von einer akuten Wanderlust ergriffen ist, muss mal dringend auf einen Flughafen!!
Der nächste Stop ist für mich ein Leckerbissen, nicht wörtlich zu nehmen bitte, denn die Rede ist vom Narrenturm im alten AKH. So eine Massenveranstaltung ist nicht der richtige Rahmen mich mehrere Minuten an den Schaukästen aufzuhalten und ich wollte lieber kein Aufsehen erregen, nachdem ich schon eine mehrere Meter lange Schlange zum Eingang überholt habe. Ich habe aber auf dem gesamten Weg damit gerechnet, dass mir wer von hinten eine runterhaut für meine Dreistigkeit (typisch Ausländerin, führt sich auf wie bei ihr “Daham” !). Als ich mich kurz getraut habe in die Runde zu schauen, lächelte mich eine Dame an und sagte, dass sie mich schon nicht schlagen werde.
hic locus est, ubi mors gaudet sucurerre vitae- Dies ist der Ort, wo sich der Tod freut dem Leben zu helfen
Wie schon erwähnt, ich bin dort, wo viele Mediziner gerne sind (und wenn nicht, dann stimmt was mit diesen Kollegen nicht.) Ich bin begeistert und mein Bruder hört von mir nur noch “Oh schau, Lepra, oh da Lues und da eine Psoriasis!” ich bombardiere ihn ungefragt mit all meinen Informationen im Irrglauben, dass er das so detailliert wissen wolle, zum Beispiel was ein Uterus Prolaps oder ein Megakolon ist. Wer will denn das nicht wissen? Nun, ich bin schlichtweg entzückt und stelle mein dürftiges Dermatologie-Wissen auf die Probe! Zum Abschluss geht es ins Leopold Museum, wo ich noch einmal in den Genuss von Klimt komme und den Abend damit beschließen kann, dass ich die schönsten seiner Werke zu sehen bekommen habe.
Natürlich sind im Leopold auch andere Werke, aber Klimt seine sind halt auch so groß, dass nicht mehr viel Platz im Blickfeld für was anderes bleibt!
Eine wundervolle Nacht in einer wundervollen Stadt, die kulturell ein Meisterwerk ist, geht erfolgreich zu Ende! Hat sich voll ausgezahlt trotz Halsweh und Niesen dabei zu sein. Hab auch niemanden angeniest! Und zum Schluss noch, weil es sein muss, das Fakultätsbild für die Medizinische Fakultät Wien von Klimt, das aber nicht den Vorgaben entsprach und wohl einen großen Eklat bedeutete. So erwarb Klimt die Werke (auch alle anderen Fakultätsbilder) zurück und bewahrte sie im Schloss Immendorff auf, wo sie 1945 durch einen Brand, gesetzt von der SS, zerstört wurden.
(Quellen: Der Kuss http://www.wikipedia.de, Dame mit Fächer http://www.arsmundi.de, Der Narrenturm http://www.wienbibliothek.at, Der Tod und das Leben und Elfe am Bach http://www.leopoldmuseum.org, Die Medizin http://www.idw-online.de)